Unser Huhn
Das Vielleicht-Bier-Buch

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Gast und Wirt

Die Verhältnisse zwischen Gast und Wirt sind grundsätzlich unauslotbar. Der Stammtisch beispielsweise wird zwar von seinem Wirt umhegt und gepflegt, geherzt und gedrückt, aber so richtig ernst, das merkt der Stammtisch genau, ist es dem Wirtsmenschen nur mit der Stange Geld, die wir regelmäßig in seinem bahnhofsnahen Betrieb stehen lassen. Er heißt übrigens Achmed.
Aber auch sonst gibt es unter den Wirten wie den Gästen sehr verschiedene. Dem Wirt hängt das Überleben davon ab, daß er guten Umsatz macht und kräftig verdient, und da wird dann schon mal ein Auge zu- und der Bierpegel im Glas nach unten gedrückt. Andere Betrügereien, die sich ein juristischer Text aus dem siebzehnten Jahrhundert ausdrücklich verbittet, sind etwa das Aufwerten schon vergammelten Bieres durch Pottasche, Schafsdärme und Kreide, oder wenn die Wirte "durch das Salz das Bier lieblich, klar und geschmackhaft, aber auch eben dadurch, weil das Salz das Geblüt angreifet, dem Leibe sehr schädlich machen"; wenn beim Einlassen ein gewaltiger Schaumknödel aufs Glas gespritzt wird, der dann zusammenfällt und die eigentliche, schandbare Biermenge offenbart, so ist natürlich auch das verwerflich. Nichts geschrieben hat der brave Jurist über die verbrecherische Gewohnheit, Reiskörner ins Glas zu pfeffern, um den Schaum wundersam zu vermehren und dem Getränk die Frische zu nehmen, aber auch seiner Liste entnimmt man schon: es ist ein Arges mit dem Wirt. 90 Prozent aller Wirte seien Deppen, heißt es im Gasthausfilm "Indien" deshalb, und der Sprichwortschatz weiß ein reiches Lied zu singen. "Wer nichts wird, wird Wirt", "Wer als Wirt nix wird, wird Bahnhofswirt" und schließlich, etwas dunkel, aber die Richtung akkurat weisend: "Der Wirt mag sein wie er will, wenn er nur auf seine Sache acht gibt". Das Letzte stammt aus den Schlesier Provinzialblättern von 1873 und stimmt wahrscheinlich. Also, Wirte, hinter eure Tresen, und brav und ordentlich ausgeschenkt, dann kommen auch die Gäste. Und was da dann für welche kommen: gute Stimmung wollen sie alle haben, und unterhalten sein zumal: "ein fröhlicher Wirt macht fröhliche Gäste" deutet den Anspruch schon an, und wo der Gast etwas trüber gesinnt ist, lehnt er sich an, auf, später auch unter die Theke und schüttet dem Wirt sein Herz ganz ausgedehnt und weitschweifig in die Hose. Dafür sind sie da, die Wirte, nicht aber, seinen Ärger anderweitig abzuladen: "Wer dem Wirt auff das Maul schlegt, der muss zum Haus hinaus", steht daher schon bei Petri, und der Stammtisch kann das nur bestätigen. Noch nie hat er seinen Wirt verprügelt und dazu auch nicht den mindesten Anlaß.
Die Gaststätten unterscheidet man äußerlich nach Namen und Schild, 1929 notierte Herr Hofmeister in Augsburg Wirtshausnamen, da gab es einen "Wilden Mann", das "Geisterhaus" und die "Einsamkeit", eine "Finstere Stube" und den "Äußeren Zoll", die "Schneckenpost" und den "Bachnazi". Der Augsburger scheint aufs Wirtshaus nicht so versessen gewesen zu sein, wie die Bevölkerung heute, die die Wahl hat zwischen "Bären", "Löwen", "Hirsch", "Krone" und "Löwen", sowie "Hirsch", "Bären" und "Krone", "Zum Löwen" oder auch "Löwen", "Krone", "Hirsch", "Buntschnepfe", "Kampfhuhn" und "Waldhorngrill". Und überall steht ein Wirt drinnen und wartet auf Gäste, eine Vielzahl von Wirten in einer Vielzahl von Gasthäusern überall auf der Welt wartet jederzeit auf Gäste, freundlich oder betrügerisch, still oder beredt, und manchmal heißen sie sogar Achmed und warten auf den Stammtisch, und dann fühlen wir uns zuhause.