Die Ballade von Ritter Mölle
I. Mölle und das Schiff
Auf seiner Ritterburg Schalkenstein
da lebte vor
längeren Zeiten
ein Ritter, so königlich, pfiffig
und fein,
wie findt man nur schwer einen Zweiten.
Des Ritters Name war "Mölle, der Ritter",
sein Kopf war mit Fragen recht schwer:
"Wer bin ich?
Warum ist mein Leben so bitter?
Wo gehe ich hin? Und wo
komme ich her?"
Da wollte es plötzlich der hilfreiche Zufall,
daß
eben zu jener ratlosen Zeit
den Mölle im
Fußballtraining beim Fußball
die folgende
seltsame Botschaft ereilt:
Bezetwe um’s genauer zu sagen,
der Mann hatte eine Vision:
Er sah einen Dampfer schwimmend fragen:
"Sag,
hörst du mich dieses fragen, mein Sohn?"
Da nickte der Ritter ganz eilig und weise,
— doch schnitt
ein verblüfftes Gesicht —
"paß auf
jetzt", sprach der Dampfer leise,
"und schau bitte
schlauer, wenn man mit dir spricht!
Du bist doch ein Mann von hochhöchstem Adel.
Bald
tapfer, bald mutig, dann hilfreich und gut,
also ein Ritter
ohne Furcht und Tadel —
kurzum, hast Königsblut im
Blut!
Was willst du hier deine Zeit verprassen!
Weshalb dich mit
niederen Menschen umgeben!
Anstatt dein Leben schnöd
sausen zu lassen,
solltest du nach Erfüllung streben!
Du bist dem Königshaus versprochen!"
— wobei der
Dampfer gegen ’nen Eisberg stieß,
und, bei der
Hälfte mittig zerbrochen,
wie Mölle sah, diese
Welt verließ.
Mölle packte drauf seine Siebensachen
und wollte sich
gleich auf die Reise machen.
II. Mölle auf der Heide
Es stand auf seines Daches Zinnen
der Mölle nun, den
Koffer in der Hand
und schaute mit erwachten Sinnen
und voller Kampflust übers teutsche Land.
(Er hatte Glück, das wäre noch zu sagen,
denn
manchen, der auf den Zinnen steht,
hat ja, wie es zu
gehen pflegt,
ein kleiner Wind schon frisch
herabgeschlagen!)
Da drüben, dacht’ er, in der kargen Heide,
steigt eine
Rauchfahn’ auf und wird zu Rauch,
und, räsonniert er
weiter, da sind stets beide,
das heißt, wo Rauch ist,
gibt es Feuer auch!
Den Herd mit Glut, den Ofen, Kohlen!
Und tiefer Neid steigt
in ihm auf,
er von den Zinnen und aufs Fohlen:
"Auf geht’s, mein Rosinchen, lauf!"
Und flugs und stracks und gradeaus
ritt nun der Ritter
gegens Feuer,
bald sah man’s schon: der Rauch entquoll ja
einem Haus
— aus dessen Türe aber trat ein Ungeheuer,
ein grauer Herr geschornen Haares,
die Augen in den
Höhlen tief,
und grunzte grauslig, (ja, so war es),
als er sein schlimmes Credo rief:
(Die Feder sträubt sich, hier nur hinzuschreiben
was da
den Ohren Mölles widerfuhr,
denn dieses dunklen Wesens
furchtbar Treiben
spottet jeglicher Natur.)
Und Mölle entsetzt: "Der Heidenmann!
Welch
schlimmen Geist weckt ich, vom bösen Schiff getrieben!
Es ist von seinen Gegnern ja noch keiner überblieben
und itzo, fürcht ich, komm ich dran!"
(Und hatte wieder Glück, man kann’s nicht anders sagen,
denn wahrhaft wär’ er diesem Gegner wohl erlegen,
hätt’ nicht der Wind den Heidenmann davongetragen,
der
übergroßen Ohren wegen.)
So konnte sich Mölle an Heidenmanns Herd eine Mahlzeit
zubereiten,
um endlich, als dem Abend schon graute, der
Sonne nach nach Westen zu reiten.
III. Mölle und der Herzog
Vorbei ritt Mölle an herrlichen Dingen,
am Kranich von
Kreta, Polykrates’ Besen,
an Ibykos’ Leber, promethischen
Ringen,
zuletzt noch am Lehrling, vom Schnupfen genesen,
der munter schon wieder die Stube fegte,
ein lustiges Lied
in den Mickymausohren,
und während Mölle noch
scharf überlegte,
trug ihn’s Rosinchen durch’s Land zu
den Toren
der Stadt, die der Herzog Roman regierte,
Mölle
erwachte und reflektierte:
"Den muß ich fordern,
dabei wird sich zeigen,
ob ich bereit bin, den Thron zu
besteigen."
Sprach es und trat vor der Königs Palast,
wo er laut:
"Ich bin euer König hier" rief,
die Wache
erstaunt zusammenlief,
und wenig darauf war Mölle
gefaßt,
in Ketten geschlagen, mit Seilen gebunden,
an Händen
und Füßen gewaltsam verschnürt,
gefesselt,
geknebelt, und sodann unumwunden
vor den grimmigen Herzog
Roman geführt.
"Du bist doch ein Ritter", sagte der Fürst
"Von eher ganz trüber Gestalt,
weshalb du auch
niemals König wirst,
doch dafür in meinem Gekerker
uralt."
Drauf wurden’s Rosinchen wie auch ihr Reiter
zusammen ins
finst’re Verlies getan
— doch während im Westen noch
alles heiter,
kam von Osten her ein Gewitter heran!
Die Wolkentürme drohen von oben
und Blitze zucken aus
ihrem Rand
und plötzlich, mittem im grausigsten Toben,
da schlägt es ein und es spaltet die Wand!
Es kracht also laut, was lange währt,
"O
segensreiches Ungewitter!
Zur Sonne erst das gute Pferd,
zur Freiheit hinterdrein den Ritter",
spricht Mölle, doch irrt er dieses Mal,
statt Freiheit
stinkt bloß ein Ziegenstall.
IV. Mölle stinkt es
Es gelangt nämlich jetzt der tapfere Held
flüchtend in einen schummrigen Raum,
in dem es ihm nun
gar nicht gefällt,
es stinkt erbärmlich, man atmet
kaum.
Und: "Das soll der Duft der Freiheit sein!"
hört man ihn keuchen, der zornigen Recken,
"es
fehlt ja nicht viel, daß ich sowie mein
Pferd ganz
furchtbar erbärmlich verrecken!"
Besänftigend tönt es gleich mild aus dem Winkel:
"Sei nicht blöd, man gewöhnt sich dran,
denn
bist du auch jetzt noch ein feiner Pinkel,
bald nimmst du
den Stallgeruch unserer Freiheit an."
"Wer spricht?" verlangt’s da den Ritter zu wissen,
sein blitzendes Auge schweift suchend herum,
"Ich
bin", erwidert die Stimme beflissen,
"der
berühmte Hammel Brücher, warum?"
"Der Hammel Brücher!" — den Mölle
durchschießt es -,
ihm wird auch schon schwach, so
schlecht ist die Luft,
jedoch nun bemerkt er — und er
genießt es -
zum Gestank mischt sich noch ein anderer
Duft.
Und zwar dringt von draußen, vom Herzogshause,
ein
Ruch nach verbranntem Zeug in die Scheuer,
man hört es
wild zischen, man löscht ohne Pause,
doch höher
und höher noch lodert das Feuer,
bald ist der Stall ganz in Hitze ersoffen,
bald schon kommt
Qualm durch die Ritze herein
(ein zweiter Blitz hat das
Haupthaus getroffen).
Sollte das denn das Ende sein?
Da stürzen die Balken, da bröckelt Gemäuer,
ist alles auf einmal voll ätzendem Rauch,
und
überall Schreien, und überall Feuer —
"Ist
in der Gefahr denn nicht Löschendes auch?"
Mit diesen Worten sinkt Mölle nun nieder,
schwer
schlägt sein Haupt auf der Erde auf,
die zerrissenen
Schwaden, sie schließen sich wieder;
Schicksal, nimm
deinen Lauf.
Dann plötzlich ein Krachen, die Türe bricht,
es
kommt einer rein. Wer — sieht man nicht.
V. Mölle und der rauhe Johannes
Am andern Tag in den rauchenden Trümmern
der
herzoglich–prunkvollen Asche,
erwachte Mölle mit
hilflosem Wimmern,
und sah als erstes — eine Flasche.
"Busengrapscher, ist gut, macht munter"
brummelt
ein riesiger ruhiger Rücken.
Mölle kippt folgsam
gleich drei hinunter,
der Riese steht auf, sich gleich
wieder zu bücken,
hat nämlich einen Braten am Feuer,
den er jetzt
andachtsvoll vorsichtig wendet.
Mölle guckt hin und
staunt nicht schlecht:
"So ist der Hammel Brücher
geendet?"
"Den werden wir jetzt zum Frühstück essen",
schmunzelt der Hüne, gelassen, scharmant,
"gehörig zu trinken nicht zu vergessen.
Übrigens werde ich der rauhe Johannes genannt.
Und du tätest gut dran, mich zu loben,
denn immerhin
bin ich ja bald König,
und eins ist ja klar: Von so
weit oben
gilt so ein Ritter wie du bist, wenig."
Tatsächlich fraßen sie den Braten,
Hannes trank
auch gar nicht wenig,
und lallte schließlich:
"Wer hat uns verraten?
Das war doch unser alter
König!"
Und schwupp! War noch ein Schnaps verschwunden.
"Man
hat uns jahrelang betrogen!"
Das hat der Hannes nicht
verwunden,
und gleich noch einen nachgezogen.
"Man trat uns doch mit Stiefelsohlen",
Und soff
schon wieder einen weg,
und wankte dann, um mehr zu holen,
und landete, pardauz!, im Dreck.
Das war nun Mölles große Stunde,
der Hannes, der
war tiefbetrunken
und Mölle rief in jede Runde:
"Seht, wie tief der Mann gesunken!"
So hat Hannes jegliche Gunst verloren,
und Mölle wurde
zum König erkoren.
VI. Mölle schleift die Burg
Das erste, was Mölle als König tat,
war,
überall Plastikgeld einzuführen.
Dann gab er
seinen Rittern Rat:
"Erhöht oder senkt all eure
Gebühren,
Verteilt graue Poller auf euren Straßen
und richtet
überall Schilder ein.
So vermindert ihr achtloses Rasen
und werdet der Jugend ein Vorbild sein.
Verkauft eure Betten und schlaft in den Tonnen.
Erweitert
die Wälder, schließt eure Zoos,
so habt ihr ganz
einfach die Umweltschützer gewonnen.
Besprüht alle
Dächer mit Irisch Moos.
Kauft Plastikampeln in jedes Zimmer
und regelt so den
Geschlechtsverkehr,
reißt Bäume aus, macht alles
schlimmer,
malt lustige Comics, versiegelt das Meer.
Baut Hallenbäder und Untergrundbahnen,
verkabelt die
ganze Welt,
macht jedem Haushalt eigenen Fahnen
und
druckt euer eigenes Geld,
versenkt alle Bücher im tiefsten Graben,
reißt
euch die Haare einzeln heraus,
züchtet sieben mal
sieben Raben
und setzt sie im finsteren Märchenwald
aus,
Verteilt an all eure hohen Minister
Rentenbescheide und
Brillengestelle,
entwertet Radieschen, sammelt Kanister
verbietet Kurven und Gefälle,
schafft Ebenmaß, Steuern und Hunde ab.
Ich verbiete
durch allerhöchsten Beschluß
das Verbringen von
Menschen in ihr Grab,
es sei denn, daß einer wirklich
muß.
Schließlich, gebt dieses Wissen weiter,
bedeckt die
Welt mit eurer Saat,
verbietet Verbote, kürzt alle
Leitern,
und beendet dann zusammen den Staat.
Und wollt ihr zu Untertanen reifen,
dann laßt uns am
Ende die Burgen schleifen."