Perry Rodent
Die Ratte des UniversumsFolge 17 - Im Land der Götter
Viel ist geschehen, seit die Einsatzgruppe "Dusty Star" unter der Leitung von Perry Rodent den Käfig verlassen hat, um neues Futter zu suchen. Während Rodent versucht den rätselhaften Ungeheuerlichen, der mit der Frittenmacht identisch zu sein scheint, dazu zu bewegen, neues Futter zu bringen, und Wolpertinger den Haufen der Ameisen erforscht, ist im Käfig selbst die Lage mehr als kritisch. Der drohende Hunger und die Umtriebe des Rattenkönigs machen der Käfigleitung um Gershwin ohnehin schwer zu schaffen, als der Angriff eines Monsters die Lage kompliziert. Derweil entdecken Rodent und seine Gefährten Dinge, die für den Fortbestand des Käfigs enorm wichtig werden können: IM LAND DER GÖTTER.
Die drei Ratten bewegten sich unruhig und furchtsam über die staubige Ebene, und Bull fand, daß sie auch allen Grund zu Unruhe und Furcht hatten. Sie waren zu zehnt ausgezogen, um Futter zu finden, und hatten Geheimnisse entdeckt, eines größer und furchtbarer als das andere, und waren dabei immer weniger geworden. Wenn Bull versuchte, sich zu erinnern, wo die anderen waren, wurde ihm schnell schwindlig. So groß waren die Entfernungen, die ihn von allen anderen trennten für ihn.Am einfachsten war es noch bei Taff - der war beim Vorstoß Rodents zum Ungeheuerlichen, wie die anderen drei, davongelaufen und nicht zurückgekommen. Rodent, Bull und Squeek hatten einige Minuten gewartet, doch dann hatte die Unruhe sie fortgetrieben. Kurz nachdem Rodent das ersterbende Licht endgültig getötet hatte, und damit den Ungeheuerlichen aus seiner Ruhe aufgestört, war ein furchtbarer, ferner Lärm zu hören gewesen, und ein vielstimmiger Schmerzensschrei und seitdem regierte die Angst in den Herzen der drei verbliebenen Abenteurer der "Dusty Star". Sie hatten sich auf den schnellsten Weg an den Rückweg zu Wolpertinger und dem Rest der Gruppe gemacht, in dringender Sorge, ob nicht dieser Rest der "Dusty Star" es gewesen war, der aufgeschrieen hatte.
Unter der Anleitung von Squeek, die sich immer mehr als kundige Spurensucherin erwies, tasteten sie, Rodent und Bull sich den Weg zurück, den sie gekommen waren, und schneller als erwartet kam der merkwürdige Haufen der Ameisen wieder in Sicht, und mit ihm die müde hingelagerten Ratten der "Dusty Star". Erleichtert beschleunigten die drei ihren Schritt, bis Bull, sie hatten die anderen fast erreicht, innehielt und vor Schreck quiekte.
"Wolpertinger ist nicht da", rief er laut, und sorgte damit wenigstens dafür, daß Pius und Urban wie von Flöhen gebissen aufsprangen und gleichfalls entsetzt quiekten.
Für einen kleinen, glücklichen Moment war das Chaos perfekt.
"Sie sind den Ameisen nachgegangen. Wolpertinger sagte, das müssen sie. Und was der Lärm war, wissen wir auch nicht, aber wir haben ihn auch gehört."
Urban schien in seinem Element, wie er so halb aufgerichtet vor den anderen stand und berichtete. Ein heller Glanz stand um seine Augen und wärmte die, die ihm zuhörten auf subtile, doch nachhaltige Weise und in den Bäuchen der Ratten häuften sich kleine Futterberge auf, wenn sie ihn nur sprechen hörten.
So ähnliche Gedanken gingen jedenfalls Pius durch den Kopf, während er Urban zuhörte, und er wußte nicht worüber er sich mehr wundern sollte: über das kurde Zeug, das er sich da zusammenreimte, oder darüber, daß es ausgerechnet der Langweiler Urban war, der so etwas in ihm auslöste. Grade überlegte Pius, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn er allen von seinem seltsamen Zustand erzählte, doch da kam ihm Rodent schon zuvor.
"Sehr poetisch, Urban", sagte er, und erntete einen verblüfften Seitenblick von Bull, der einen etwas anderen Eindruck hatte. "Aber wir sollten jetzt vermutlich versuchen, Wolpertinger und Flip zu finden, ehe wir alle verhungern."
"Und dann sollten wir zurück zum Käfig gehen", sagte Squeek gedrückt, "denn da scheint ja etwas Schlimmes passiert zu sein."
Alle waren einen Moment still, dann erhob sich Dotz, drückte seinen Rücken ganz durch und riß den Mund weit auf. Er gähnte ausgiebig, und blickte sich dann ratlos um, als suche er etwas, das unmittelbar davor noch dagewesen war.
"Was ist denn hier los", pfiff er dann besorgt. "Wo sind wir?"
Die Seligkeit zu beschreiben, die sie empfanden, war schwer
möglich. Angefüllt mit den besten Leckereien, die
vorstellbar waren, und inmitten eines Meeres von Bergen von mehr
davon spürten sie, wie sich ihre Unruhe und Angst
allmählich legte und einer wohligen Schläfrigkeit Platz
machte. Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben, ein
endloser Strom von winzigen Teilen führte einen
rätselhaften Tanz auf, und mit den letzten Energien, die Ihnen
verblieben waren, fragten sie sich ratlos, was all das zu bedeuten
hatte.
Die Frittenmacht jedenfalls war ein Scheiß
gegen die Macht, die diese Schätze beherrschte, das war ihnen
rasch klar gewesen, und jemand - oder etwas - der Herr über
solche Schätze war, konnte nicht wirklich böse sein.
Vielleicht allenfalls ein wenig unfair, doch nicht - aber da fielen
ihnen endgültig die Augen zu.
Wolpertinger
erwachte Minuten später, weil er ein alarmierendes Geräusch
gehört hatte und kniff Flip sanft in die Flanke. Mit einem
unterdrückten Quieklaut und einer Pfote, die er seinem Begleiter
auf die Schnauze stellte, sorgte er dafür, daß Flip
stillhielt, und wenig später erwies sich die
außerordentliche Weisheit dieses Vorgehens, als nämlich
die Hölle in Form eines gewaltigen, unförmigen Ungeheuers
über die beiden hereinbrach. Wolpertinger schloß mit
seinem Leben ab - und dabei hätte es noch so vieles gegeben, das
er hätte erforschen wollen. In der letzten Sekunde, ehe das
Entsetzliche geschah, sah er sich in einer gewaltigen fahrbaren
Höhle sitzen, um ihn herum ungeheure Mengen von Wasser, und
strahlend in nie gesehene Käfige vorstoßen. Mit einem Mal
wußte Wolpertinger, daß er weiterleben würde und da
geschah es.
Die Erklärungen, die Rodent und Pius abwechselnd vorbrachten,
vergrößerten eher die Verwirrung der beiden ehemaligen
Verwandten, die allmählich aus dem wie betäubten Zustand,
in dem sie seit ihrer Niederlage gegen Rodent und Bull alle
Ereignisse verschlafen hatten, erwachten. Zufrieden pfeifend blickte
sich Rodent um, sein Blick ruhte kurz auf dem Haufen der Ameisen,
dann begann er konzentriert und leicht verkrampft mit dem Versuch,
die Mitglieder der Einsatzgruppe zu zählen und nannte, um die
Übersicht nicht zu verlieren, bei jedem, den er zählte,
seinen Namen.
"Bull, eins, Pius, zwei, Urban,
drei", begann er und holte tief und keuchend Luft. "Wo war
ich?" fragte er nach einer kleinen Pause verwirrt und Bull
blickte ebenfalls ratlos. Er hatte nicht zugehört.
"Drei", sagte Squeek.
"Aha", machte
Rodent und fuhr fort. "Squeek, vier, Hupsi, fünf, Dotz,
sechs. Das waren alle. Plus Wolpertinger, sieben, Flip, acht. Wir
waren doch zehn, als wir aufgebrochen sind. Wo sind die anderen
beiden?"
"Du hast Taff vergessen", erinnerte
ihn Bull an den verlorenen Gefährten und Rodent nickte.
"Richtig. Fehlt noch einer."
Eine ratlose Pause
schloß sich an, in der die Ratten in verschiedene Richtungen
starrten und versuchten, das Rätsel zu lösen. Dann, nach
einigen Augenblicken, platzte Dotz plötzlich mit einem Quieken
heraus und machte einen kleinen Sprung auf Rodent zu, der sofort
warnend zischte.
"Was ist, Verwandter?" fragte er
und wich ein Stück zurück.
"Du hast Dich
selbst vergessen", sagte Dotz und wirkte sehr stolz über
seine Entdeckung. Erneut herrschte kurz Stille, dann jubelten die
sieben verbliebenen Mitglieder des "Dusty Star" erleichtert
auf.
"Dann können wir ja die anderen beiden
zurückholen", sagte Bull nüchtern, als die erste
Euphorie verflogen war und betrachtete mißtrauisch die endlose
Reihe von Ameisen, die sich in der Ferne verlor.
"Die
beiden sind da draußen", sagte er leichthin, "und wir
werden sie finden".
Je weiter die sieben
Ratten, eine hinter der anderen hüpfend, der Ameisenstraße
entlang vordrangen, desto unruhiger wurden sie, teilweise wegen der
schieren, unüberschaubaren Zahl von Ameisen, die in aller
Gemächlichkeit, aber mit scheinbar nicht zu bremsender Energie
einfach geradeaus marschierten. Vor allem aber waren sie
erschüttert, als sie nach kurzer Zeit bemerkt hatten, daß
ein Stück von ihnen entfernt ein gleichartiger Zug Ameisen
zurück kam - zumindest war er annähernd gleichartig, doch
der kleine Unterschied zwischen den beiden Ameisenketten brachte
Rodent völlig aus der Ruhe. Die zurückkehrenden Ameisen
nämlich trugen Futter auf dem Rücken, jede einzelne ein
kleines Stück, und es hatte des brillanten Wolpertinger nicht
bedurft, um zu begreifen, daß wo Futter herkam, Futter sein
mußte. Seit dieser Entdeckung hatten sie ihren Schritt
ständig beschleunigt, und als sie nun in großer Eile auf
eine aufragende Wand zustürmten, wären sie beinahe
über Wolpertinger und Flip gestolpert, die wie tot am Boden
lagen.
Es war Bull, der sie durch einen schrillen Pfiff
aufweckte, doch was die beiden dann erzählten, hätte
beinahe gereicht, um sie alle vor Aufregung das Bewußtsein
verlieren zu lassen.
Kurz nachdem Wolpertinger und Flip den
Haufen des Futters, angeleitet durch die Ameisen, erreicht hatten,
und sie sich den Bauch vollgeschlagen hatten, hatte der Haufen auf
unbegreifliche Weise Kontakt mit Wolpertinger aufgenommen, und ihn
gewarnt, daß etwas Gefährliches näherkomme.
"Er spricht nicht richtig mit uns, es sind mehr Bilder, die man
sieht, wenn man die Ameisen betrachtet", erklärte
Wolpertinger und fiepte belustigt, als er die ratlosen Gesichter sah.
"Ihr werdet schon noch sehen."
Wolpertinger und
Flip hatten sich dann versteckt, und tatsächlich war eine
gewaltige Gestalt erschienen, hatte eines der glatten, weichen Dinger
genommen und war wieder verschwunden. Begleitet wurde die Gestalt von
unbändigem Lärm, und nachdem sich Rodent das Ungeheuer
immer wieder hatte bschreiben lassen, nickte er grimmig und blickte
Squeek und Bull an, die dasselbe dachten wie er.
"Das
war der Ungeheuerliche", sagte Rodent, und, als er nun
seinerseits die Verwirrung bei Flip und Wolpertinger bemerkte,
fügte er hinzu, "wir halten ihn für die Frittenmacht.
Aber was er ist, oder was er will, wissen wir auch nicht."
Wolpertinger wirkte kurz, als denke er über den Ungeheuerlichen
nach, doch brach es wenig später begeistert aus ihm hervor:
"Der Haufen ist faszinierend, Perry. Sie geben Nachrichten
weiter, indem sie die Ameise vor sich mit den Fühlern am
Hinterteil kitzeln. So konnte der Haufen uns warnen. Der Haufen hat
angeboten, uns zu helfen, das Futter in den Käfig zu bringen,
wenn wir ihm dafür eine neue Heimat geben. Er fühlt sich
dort, wo er jetzt lebt, nicht sicher."
Rodent nickte
zerstreut, und versuchte dann, die Futtermenge, die herumlag,
abzuschätzen. Sein Gesichtsausdruck dabei schien eindeutig, denn
Wolpertinger kicherte wissend.
"Es ist zu wenig
für den Käfig, nicht wahr?" fragte er unschuldig, und
als Rodent nickte, wies er auf die großen Dinger.
"Wir haben eins davon aufgeknabbert", sagte er. "Sieh
Dir doch mal an, was in denen drin ist."
Folgsam
sprangen Rodent und Bull hinüber, und erstarrten, als sie um die
Wölbung des Dinges hüpften und es sahen. Fassungslos wandte
Rodent sich um. "Mein Gott. Es ist voller Futter", sagte er
erschüttert. Und das aufgenagte Ding war nur eines von
unzähligen.
"Wir sind gerettet", hauchte
Squeek ungläubig.
Es scheint, als sei die "Dusty Star" letztenendes doch erfolgreich gewesen. Nun geht es darum, die gewaltigen Futtermengen, die man mit Hilfe der Ameisen gefunden hat, zurück in den Käfig zu bringen, wo man die Einsatzgruppe längst verlorenen gegeben hat. Doch weit gefehlt: Folge 18 trägt den Titel: Die Toten leben.