Genista-Verlag
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Rezension zu "Die Memorialmonstranzen von Ingolstadt und Klosterneuburg"von Fritz Grosse Die Leser von Büchern über die sogenannten Angewandten Künste werden nicht oft von der Forschung verwöhnt. Dem liebsten Kind dieser Forschung, dem in Blüte stehenden beschreibenden Katalog, stehen kaum ebenso qualitätvolle Studien gegenüber, die die positivistische Ebene verlassen und in den hermeneutischen Bereich eindringen. Ob mit der Studie von Clemens Kieser über "Die Memorialmonstranzen von Ingolstadt und Klosterneuburg" eine Trendwende verzeichnet werden kann, ist fraglich. Man findet jedoch einen methodischen Meilenstein in der Erforschung der Goldschmiedekunst vor. In weiser Beschränkung greift der Autor aus der erschlagenden Fülle überlieferter Monstranzen zwei Werke für seine detaillierte Einzelstudie heraus. Nicht die reine Beschreibung des Gegenstandes und die archivalische Aufarbeitung, beides beherrscht Kieser hervoragend, sondern die Analyse von Ausdruck, Inhalten sowie der dahinter stehenden Auffassungen stehen im Zentrum der Betrachtung. "Memorialmonstranzen" erscheinen als ein merkwürdiger Sonderfall sakraler Schaugefäße, bei dem ein konkreter historischer Anlaß mit dem Zeigegerät der Heiligen Eucharistie verbunden wird. Im vorstehenden Fall bestellte die von Jesuiten begleitete Ingolstädter Bürgerkongregation "Maria vom Sieg" die Erinnerung an die spektakuläre Seeschlacht von Lepanto, bei der 1571 30.000 Türken den Tod fanden. 1708 wurde die 123 cm hohe und 18 kg schwere Monstranz mit einem bizarren Durcheinander von Schiffen, Kanonen und herabstürzenden Masten und der Muttergottes um eine ruhende Hostie, vom Augsburger Goldschmied Johann Zeckel geliefert. - 1114 soll der Hl. Leopold den unversehrten Schleier, den ein Windstoß neun Jahre zuvor vom Haupt seiner Gattin Agnes geweht hatte, in einem Holunderstrauch unversehrt wieder gefunden haben. An der Stelle dieses Wunders gründete er das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg. 600 Jahre später erhielt das Stift in Erinnerung an diese Gründungslegende eine Monstranz. Das Werk des Wiener Goldschmieds Johann Känischbauer ist 83 cm hoch und zeigt mit 1350 Diamanten, Rubinen und weiteren Edelsteinen sowie 1395 Perlen die Bedeutung, die die stiftischen Auftraggeber dem Thema zumaßen. Gegenüber älteren Ansichten, wonach das unbiblische Geschehen der memorierten Anlässe keinerlei Bezug zur Eucharistie besitze und lediglich lokale oder kirchengeschichtliche Bedeutung habe, versucht Kieser in seiner Analyse das Gegenteil zu belegen. Er argumentiert mit Karl Rahner, daß sich die Heilsgeschichte nicht nur auf die typologische Beziehung von Altem zu Neuem Testament beschränkt, sondern auch in der weiterführenden (Kirchen-)Geschichte des Christentums wirksam ist. Das hierbei die Feier und Teilnahme am Hl. Sakrament im Zentrum steht, erklärt auch die enge Verbindung von kirchenhistorischem Ereignis zum Träger der Verherrlichung, der Monstranz. Kenntnisreich werden aus dem breiten Strom der zeitgenössischen Quellen ebenjene herausgegriffen, die das heute schwierige Verständnis der Materie erleichtern. Gerade die Darstellung der liturgischen Nutzung, in der Objekt und Kult zu einer handelnden Verständniseinheit von Gott und Gläubigem führen, zeigt den ikonologischen Gehalt der Monstranzen. Darüber hinaus werden aber auch die großen Denkbewegungen nachgezeichnet, in denen sich das Ingolstädter Werk auch als jesuitisches Denkmal des Reformpapsts Pius V. darstellt, der während der Seeschlacht ununterbrochen für den Sieg der Christenheit betete. Durch dieses aus Ikonographie und Quellen schlüssig nachgewiesene Exempel bringt die Monstranz auch den Gedanken des universalen Papsttums in die Andacht hinein. Demgegenüber rührt die Klosterneuburger Arbeit tief in das herrschaftliche Selbstverständnis der Habsburger Dynastie. Durch die Handlung des Heiligen Leopold wurde nicht nur die Gründung des Klosters und der Ort des Geschehens geheiligt. Die Entwicklung der Heilsgeschichte, für welche der im Gefäß anwesende Christus Wende- und Höhepunkt war, findet ihre Fortführung in der Gestalt des Heiligen Leopold, dessen Blut wiederum in den Adern seiner habsburgischen Nachfahren fließt. So gesehen wurde die Verehrung des Allerheiligsten auch zu einer Verehrung des amtierenden Herrscherhauses. Von ihrer theologisch-liturgischen Wertigkeit her ist die Klosterneuburger Monstranz also ein hervorragendes Objekt des habsburgischen Herrscherkults, und man wird sich hüten müssen, dies als "barocke Übersteigerung" zu verstehen. Vielmehr wird hier ein Denken sichtbar, welches den ganzen Zeitraum von Spätmittelalter und Früher Neuzeit beherrschte. Die von Kieser gegebenen Impulse wird die Forschung aufgreifen müssen, wobei der Vergleich mit weiteren Objekten eine Rolle spielen dürfte. Eine seit gut 20 Jahren blühende Forschung hat eine gute Vorstellung des Memoria-Begriffs entwickelt, der gerade in der ikonologischen Arbeit zu verwerten ist. Einer Sichtung der zahlreichen profanen Memorialgefäße, müßte auch die erneute Musterung sakraler Objekte folgen. Aus dieser Lage könnte auch der Begriff der "Memorialmonstranz" auf den Prüfstand gelangen, der vielleicht weiter zu fassen wäre, als heute. Mit seiner Studie kommt Kieser der von Aby Warburg geforderten gleichberechtigten Betrachtung von Werken der sogenannten Bildenden wie Angewandten Künste nach und zeigt, daß die besprochenen Goldschmiedearbeiten nicht nur handwerkliche Spitzenleistungen sind, sondern sondern auch als Bildwerke mit ikonologischem Tiefgang zu ebensolchen wissenschaftlichen Leistungen führen können. |