Als wir die folgenden Postings schreiben, oder vielmehr: als wir die
Tagebucheintragungen, auf denen sie basieren, in Form bringen, sitzen wir vor
dem Computer, in einem Hochhaus aus Beton mit über 250 Parteien, mitten in einer
kanadischen Millionenstadt. Im Nebenzimmer faucht leise eine Klimaanlage, im
Glas dümpelt duftend schottischer Whisky. Aber noch vor einer Woche war all das
weit weg.
Wir würden unsere Angelegenheiten den Lesern nicht derart aufdrängen,
wenn wir nicht das Gefühl hätten, daß, auch wenn niemand nach unseren
Erlebnissen fragte, ein brennendes, ein gieriges Interesse in den verspeckten
Leibern schwelte. Wir bitten alle Leser um Nachsicht, denen die Wildnis nichts
als ein lästiger Haufen Laub ist, in den hinein pelzige Dinge des Nachts
geräuschvoll scheißen. Sie haben nicht unrecht, aber sie lesen den falschen
Text.
Man hört ständig von Menschen, die aus dem Nichts eine anheimelnde
Heimstatt mit fließend Wasser und Kabelanschluß schmieden, ohne die geringste
Anstrengung und mit geringsten Mitteln. Andere wieder, und zu dieser, wohl
größeren Gruppe, rechnen wir, bezahlen 70 Dollar pro Person und Tag, um in einem
winzigen, dünnen Zelt auf der nackten Erde liegen zu dürfen und die
Kälte der nördlichen Seen durch die Fasern kriechen und sich an die Haut
schmiegen zu spüren. Für die Chance, von wenigstens drei verschiedenen
Mückensorten zugleich gestochen zu werden, ist dem Enthusiasten kein Preis zu
hoch. Und wirft man kniehohen Faulschlamm und freilaufende Raubtiere mit in die
Waagschale, wippt die Begeisterung im eiskalten Wasser mit den Zehen, ehe ihr
die pendelnde Waagschale mit dumpfem Dröhnen auf den Kopf fällt, wie dem Paddler
sein Kanu bei der Portage.
Wir gingen in die Wälder, weil wir bewußt leben wollten, um den
wichtigsten Lebenstatsachen ins Auge zu sehen, und um zu sehen, ob wir nicht
lernen könnten, was das Leben zu lehren hatte. Um das Leben in die Enge zu
treiben und auf seine niedrigsten Begriffe zu reduzieren, um, ach, Schmarrn. Wir
gingen aus Jux und Dollerei. Und wir hatten bei uns:
Zwei elektrische Lampen, eine Rolle Seil, keinen Bindfaden, zwei Taschenmesser.
Ein rotes Kipawa-Kanu der Marke Swift.
Zwei Paddel. Zwei Personal Floatation Devices (Rettungswesten). Zwei Notfallpaddelbuddeln mit Seil und Pfeife.
Ein Kelty Drei-Mann-Zelt.
Zwei aufblasbare Isomatten, zwei Leihschlafsäcke (ungewaschen) mit Innenfutter (gewaschen).
Zwei Rucksäcke.
Zwei Töpfe, eine Kanne, eine Pfanne, Besteck.
Zwei Teller, zwei Becher, zwei Schüsseln, Topfdeckel (zwei).
Einen Campingkocher, vier Austauschgaskartuschen.
Ein Campingkocherpräservativ mit Schnürverschluss.
Streichhölzer, wasserdicht verpackt.
Zwei Erste-Hilfe-Sets. Sonnencreme.
Spielkarten, zwei Notizbücher, drei Bücher.
Zwei Weltraumkugelschreiber.
Eine Sternkarte. Topographische Karten des Zielgebiets.
Einen Kompass.
Eine Säge. Ein Grillrost. Eine Angelrute.
Eine Tüte mit zermatschtem Schwarzbrot (Köder).
Hosen, am Knie zerspaltbar.
Je eine Vliessweste und GoreTex-Jacke. Je ein T-Shirt.
Unterbuxen und Socken. Badekleidung.
Wanderschuhe. Trekking-Sandalen.
Desinfektionsmittel. Spülmittel. Campingseife.
Zahnbürsten und -pasta.
Fotoapparat. 13 Rollen Film. Teleobjektiv. Fernglas.
Handbuch der Tierfährten. Geschöpfeführer.
Eine Alarmpfeife. Zwei Hüte. Zwei Sonnenbrillen.
Drei Wasserflaschen. Reinigungschemikalie "Pristine".
Verpflegung für 10 Tage, größtenteils gefriergetrocknet.
Drei Rollen Klopapier.
Das Gesamtgewicht all der schönen Sachen lag wohl bei ca. 80 bis 90
Kilogramm. Dieses Gewicht mußte bei den Portagen durch den Wald getragen werden,
auf einer Gesamtstrecke von - aber wir wollen nicht vorgreifen. Geduld ist
schließlich die Mutter der empfindlichen Porzellankiste, die Natur heißt.
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