Perry Rodent
Die Ratte des UniversumsFolge 5 - Verwandte im Einsatz
Die Einsatzgruppe "Dusty Star" hat den Käfig mit unbestimmtem Ziel verlassen und sich dazu mit Space Cakes Mut angeknabbert. Die Ratten haben sich getrennt, Perry Rodent und Ratty "Nerd" Bull, genannt Bully, entdeckten eine einzelne Fritte. Unterdessen trugen sich auch beim Rest der Einsatzgruppe erstaunliche Dinge zu. Ein unerwarteter Angriff erfolgte von den Mitgliedern des Verwandtenkorps des Königs der Ratten, der seine Ziele mit aller Kraft verfolgt. Eines der Mittel, auf das er zurückgreift, sind VERWANDTE IM EINSATZ.
"Wir sind beinahe am Ende unsere Möglichkeiten",
quiekte Käfigkommandant Gershwin müde. "Wenn nicht
noch ein Wunder geschieht, bricht im Käfig bald das Chaos
aus."
Mandala hatte sich zu einem Knäuel
zusammengerollt und quiekte leise und zustimmend.
Unruhig
und hektisch lief Gershwin in der Höhle umher, ohne festes Ziel.
Als er sich dem engen Eingang näherte, war ein leises Rascheln
zu hören, das er jedoch überhörte.
"Das
Futter ist beinahe zuende. Wir haben schon seit Wochen nichts mehr an
der Stelle gefunden und die Vorräte sind bald
erschöpft. Wenn nicht Wolpertinger diese einmalige Idee gehabt
hätte, wäre es schon vor ein paar Tagen aus gewesen."
"Er ist gut", murmelte Mandala ziellos, "guter
Mann."
Gershwin warf ihm einen ärgerlichen Blick
zu und fiepte. "Der beste Wisenschaftler, den wir haben. Bis
irgend jemand verstanden hatte, was er meinte, dauerte es eine halbe
Stunde. 'Wenn wir die Rationen für die einzelnen verringern,
reichen die Vorräte länger', ich habe es noch im Ohr. Wie
er nur auf solche Ideen kommt!"
"Ein Genie",
quiekte Mandala.
Gershwin machte einen Satz auf seinen
hingelagerten Stellvertreter zu. "Du bist nicht grade ein
große Hilfe. Vielleicht sollte ich Dich mit rausschicken."
"Mit raus?"
"Wir planen einen Einsatz. Auch
so eine Idee von Wolpertinger. Er hat eine Gruppe von Gräbern
einige Zeit an Rand des Käfigs graben lassen und einen Durchgang
nach draußen erzeugt. Es hat sich noch keiner rausgewagt, aber
ich glaube, wir haben keine Wahl. Wir werden ein Einsatzkommando
zusammenstellen und es rausschicken. Vielleicht gibt es irgendwo
Futter."
Mandala machte ein erbärmliches
Geräusch, sprang auf und blickte sich hastig nach einem Versteck
um. Als er keines fand, stand er einen Moment ganz still und nur
seine Schnurrhaare virbrierten aufmerksam. Langsam entspannte er
sich.
"Das wird keiner wagen", sagte er
ängstlich. "Ausgeschlossen. Da traut sich keiner raus. Wer
weiß, was da lauert."
"Da hatte Wolpertinger
auch eine hervorragende Idee. Du weißt doch noch, als wir die
Space Cakes beim Futter gefunden haben? Die alle so unglaublich mutig
gemacht haben? Wir werden sie den Mitgliedern des Kommandos zu
fressen geben, dann wird es schon gegen."
"Das
glaube ich nicht. So stark kann das Zeug gar nicht wirken."
Gershwin machte eine dramatische Pause, während der ihn Mandala
atemlos musterte. Dann sagte er: "Wir haben es schon
versucht."
Mandala machte einen Satz
rückwärts.
"Wie bitte?"
"Ja. Flip hat ein Stück genommen und war draußen.
Nicht weit draußen, aber es hat genügt. 'Es ist alles
voller Staub' hat er gesagt. Wolpertinger hat vorgeschlagen, das
Unternhemen deshalb 'Dusty Star' zu nennen."
"Und
wer ist wahnsinnig genug, da mitzugehen?"
"Leiten
wird das Unternehmen Perry Rodent; insgesamt haben wir bislang
sieben Freiwillige, die allerdings nichts vom eigentlichen Grund des
Einsatzes wissen. Wir können nicht riskieren, daß der
Käfig von der Nahrungsknappheit erfährt. Flip ist der
einzige, der Bescheid weiß."
Erneut ertönte
ein leises Rascheln vom Eingang her. Mandala blickte
mißtrauisch in die Richtung, und glaubte kurz, einen Schatten
zu sehen, der sich zurückzog. Er machte einen eiligen Satz in
die Richtung und schnüffelte aufmerksam, konnte jedoch nichts
entdecken.
"Was ist?", fragte Gershwin.
"Ich weiß nicht, ich glaube, es ist noch warm hier und
riecht nach jemandem. Ich bin aber nicht sicher."
"Ich hoffe, Du irrst Dich. Wir können keine Panik im
Käfig gebrauchen."
Mißtrauisch äugten
Mandala und Gershwin zum Eingangsloch hinaus, doch Hupsi war
längst weit entfernt. Sie war auf dem schnellsten Wege
zurück zu ihrem König, um ihm Bericht zu erstatten.
*
"Das hast Du sehr gut gemacht, Hupsi", tönte es aus
dem unheimlichen Gebilde, "und auch ihr anderen habt gute Arbeit
geleistet. Wir kommen gut voran."
In der engen
Höhle des Königs der Ratten drängten sich die sechs
Mitglieder des Verwandtenkorps um ihre König und um die
fünf jungen Ratten, die sie mit kleinen Leckerbissen in die
Höhle gelockt hatten. Die neuen waren der starken Ausstrahlung
des Königs auf der Stelle erlegen und warteten nun geduldig auf
Anweisung aus seinen zahllosen Mündern.
"Ihr
werdet die Höhle vergrößern. Wir haben einen Plan den
Höhlen in der Umgebung gemacht und herausgefunden, daß in
dieser Richtung", der König fuhr einen Schwanz aus und
deutete auf den Lehm der Höhlenwand, "keine andere
Höhle liegt. Dort werdet ihr graben und den Lehm direkt vor dem
Höhleneingang zu kleinen Hügeln aufschichten, die uns als
Sichtschutz dienen werden. Fangt sofort an."
Die
fünf neuen Mitglieder des Verwandtenkorps gehorchten umgehend
und machten sich mit äußerster Disziplin ans Werk. Ein
unausgesetztes Schaben und Kratzen begann, die Höhle zu
erfüllen. Hupsi starrte ungläubig auf den König. Er
hatte einen Plan gemacht! Seine Fähigkeiten schienen keine
Grenzen zu kennen.
"Und Ihr, Hupsi und Dotz, werdet
Euch zu diesem Einsatz melden. Wir müssen die Nahrungsknappheit
ausnutzen, um den Käfig in die Hand zu bekommen. Ihr werdet in
Erfahrung bringen, was es draußen gibt und ob wir es für
unsere Zwecke gebrauchen können. Vor allem aber werdet ihr
sobald ihr Futter findet, die Kontrolle übernehmen und das
Futter zurückbringen. Nichts davon darf in die Hände der
Käfigleitung fallen."
Andächtig lauschten die
Korpsmitglieder dem Quieken der Worte nach, die allein dadurch,
daß soviele Stimmen zugleich erklangen, schon wahrer wurden,
als alles, was sie je gedacht hatten.
"Nun geht, Hupsi
und Dotz, und meldet Euch bei Gershwin. Und ihr anderen sucht mir
neue Rekruten."
Wie eine Ratte setzte sich das
Verwandtenkorps in Bewegung und verließ die ehemalige
Höhle der Familie durch den engen Eingang. Jetzt begann eine
neue Zeit!
*
"Gershwin, wir haben ein neues Problem", sagte Mandala
mutlos, als er in die Höhle hüpfte. Sein Schwanz lag
schlaff hinter ihm auf der Erde und seine Augen waren halb
geschlossen.
"Wir hatten in letzter Zeit einige
Geburten" - "oh nein", ächzte Gershwin. "Die
Überbevölkerung? Ich habe Gaius und seine dubiose Familie
noch nicht vergessen."
Mandala nickte
schwerfällig. "Das meine ich aber gar nicht. Einige der
Mütter haben sich an uns gewandt. Sie haben es erst nach einiger
Zeit gemerkt, aber ihre Kinder haben keine Namen."
"Keine Namen?" schnaufte Gershwin überrascht.
"Was soll das denn heißen?"
"Das wissen
die Mütter auch nicht. Sie sagen, daß sie nicht wissen,
wie ihre Kinder heißen."
Abermals ertönte
ein Geräusch am Eingang der Höhle, das rasch lauter wurde.
Gershwin und Mandala richteten sich auf die Hinterpfoten auf, soweit
die Größe des Raumes das zuließ und bleckten die
Zähne. Eine einelne Schnauze erschien im Eingang.
"Nicht doch, Herrschaften", fiepte Wolpertinger,
während er langsam, um Gershwin nicht noch mehr zu provozieren,
in den Raum hüpfte. "Ich bins doch nur."
"Ach, Wolpertinger." Mandala tauschte einen raschen
Blick mit Gershwin, der zustimmend nickte.
"Wir haben
grade über das Namensproblem gesprochen."
Wolpertinger nickte. "Ich habe davon gehört. Ich glaube, es
gibt eine Lösung."
Aufmerksam betrachteten ihn
vier blanke Augen, als er sprach.
"Wir wissen noch
nicht, warum die Kinder keine Namen mehr haben. Wir wissen auch
nicht, woher sie sie früher hatten. Aber die Lösung ist
ganz einfach. Die Mütter müssen sich selbst Namen
ausdenken."
Noch ehe Gershwin und Mandala ihrer
Verwunderung Ausdruck verleihen konnten, raschelte es erneut am
Eingang.
"Komandant?" ertönte eine zarte,
aber forsche Stimme. "Dürfen wir hereinkommen?"
"Bitte", fiepte Gershwin schwach, "es wird ja ohnehin
eine Käfigvollversammlung hier drin."
Vorsichtig
und mit allen Zeichen des Respekts tappten Hupsi und Dotz in die
Höhle.
"Wir haben von dem Einsatz
gehört; wir waren auch schon am Loch und haben es uns
angesehen. Wir würden gerne mitkommen."
Wolpertinger betrachtete sie interessiert.
"Ihr seid
die beiden, die näher an das Loch herangegangen sind als
irgendwer von meinen Leuten?" fragte er.
Hupsi nickte
stolz.
"Bitte. Wir möchten dabeisein."
Wolpertinger räusperte sich.
"Das ist
übrigens auch der Grund, weshalb ich hier bin, Gershwin. Ich
möchte auch mit. Da draußen bin ich nützlicher als
hier. Und ich denke, die beiden sollten auf alle Fälle
mitkommen. Sie scheinen mutiger zu sein, als irgendjemand
sonst."
Eine kurze Pause trat ein.
"Ich
kann dich auf keinen Fall gehen lassen, Wolpertinger. Du bist zu
wichtig", entschied Gershwin kurzangebunden und beachtete den
Wissenschaftler danach nicht weiter. "Ihr beiden meldet Euch bei
Flip, er wird Euch einweisen. Es sind mit Euch 10 Ratten in der
Einsatzgruppe. Sie ist damit komplett."
Wortlos
verließ Wolpertinger die Höhle.
*
Gershwin gehörte zu denen, die sich am weitesten in Richtung auf
das Loch zu wagten, durch das die Einsatzgruppe den Käfig
verlassen würde, doch auch sie blieben irgendwann zurück
und beobachteten die euphorischen und aufgekratzten Mitglieder von
"Dusty Star" auf ihren letzten Zentimetern.
Aufmerksam betrachtete der Kommandant jede einzelne der zehn Ratten,
in deren Pfoten das Schicksal des Käfigs liegen mochte.
Vielleicht entdeckten sie draußen Platz für einen neuen
Bau, vielleicht entdeckten sie große Mengen Futter. Niemand
konnte das wissen.
Er spürte, wie Mandala an seine
Seite hüpfte.
"Wolpertinger ist veschwunden",
sagte Mandala. Gershwin nahm es schweigend zur Kenntnis.
"Er scheint Space Cake mitgenommen zu haben. Vermutlich wird er
der Gruppe nachlaufen."
Gershwin nickte. "Ich habe
fast damit gerechnet. Es war zu verlockend für ihn. Ich hoffe,
er kann etwas bewirken da draußen."
"Außerdem haben sich einige besorgte Eltern gemeldet. Es
verschwinden reihenweise junge Ratten. Wir haben keine Ahnung, was da
vorgeht."
"Die Pfote ist uns näher als der
Schwanz, Mandala. Es ist unsere Aufgabe, das herauszufinden, auch
wenn es vielleicht bald gleichgültig sein könnte."
Mandala blickte ihn fragend an.
"Vielleicht sind wir
bald alle verhungert", fiepte Gershwin sorgenvoll.
*
Nach vielen Minuten ergebnisloser Suche, bot sich Hupsi und Dotz nun
endlich die Gelegenheit zum Handeln. Der offizielle Leiter der
Gruppe, Perry Rodent, war mit seinem Freund Bull verschwunden,
und Urban hatte soeben lautstark bekanntgegeben, daß er etwas
gefunden hatte.
"Im Namen des Verwandtenkorps
beschlagnahmen wir diese Fritte. Das Kommando geht hiermit über
an Hupsi und Dotz", pfiff Dotz triumphierend und als Flip auch
Sekunden später noch keine Anstalten machte, sich dagegen
aufzulehnen, war der Putsch geglückt. Zufrieden zog Dotz seine
Zähne vom Hals Flips zurück.
"Was geht denn
hier vor", schnaubte pötzlich eine zornige Stimme aus
einiger Entfernung. "Ich glaube, ihr spinnt."
Drohend baute sich Wolpertinger hinter der Einsatzgruppe auf und
hüpfte auf Hupsi und Dotz zu, die sofort von der Fritte
abließen und sich ebenfalls hoch aufrichteten. Sie quiekten
drohend und rückten ihrerseits auf den Wissenschaftler zu.
Als sie ihn fast erreicht hatten bleckte Dotz drohend die Zähne
und öffnete den Mund.
"Für den
König", quiekte er angriffslustig und beobachtete
zufrieden, wie Wolpertinger unterwürfig zu Boden sank.
"Für den König", bestätigte Hupsi und
quiekte gleich darauf entsetzt auf. Dotz nahm den Alarmruf als erster
auf, dann ging ein Ruck durch die Gruppe, als alle Ratten sich hinter
einer anderen in Deckung zu bringen versuchten.
"Die
Fritte ist weg", schrie Hupsi. "Die Fritte ist
verschwunden!" Tatsächlich war von der Fritte dort, wo sie
gelegen hatte, nichts mehr zu entdecken.
Die Mitglieder des Verwandtenkorps haben sich gegen Wolpertinger behaupten können und sind nach wie vor Chefratten der Einsatzgruppe. Unterdessen werden auch Rodent und Bull mit dem Phänomen der verschwindenden Fritten konfrontiert und folgen einer merkwürdigen Fährte. Lesen Sie Folge 6: Die Spur durch Zeit und Staub