Jürgen Roth
Der Ball ist eine Totalität
7,50 Euro
ISBN 3-930171-04-X
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Fußball und Philosophie - endlich vereint. 72 Seiten, mit
Zeichnungen von Heribert Lenz.
Aus dem Vorwort von Thomas Gsella (Titanic):
Dies sollte von Anfang an kein dickes Buch werden. Dicke B�cher
passen weder in Jacken-, Mantel- oder Hosentaschen, noch kann
man sie an einem Nachmittag auslesen.
Dies sollte auch kein schlechtes Buch werden. Schlechte B�cher
passen, gerade wenn sie d�nn sind, zwar in Jacken-, Mantel- oder
Hosentaschen, aber auch sie kann man nicht an einem Nachmittag
auslesen.
Vor allem aber sollte dies kein dickes schlechtes Buch �ber Handball
und Gartenbau werden. Denn da gibt es wahrlich genug. Tausende und
Abertausende dicker schlechter B�cher zum Thema Handball und Gartenbau
liegen auf den Tischen der Caf�s herum, blicken ihrem Vermodern
entgegen, nehmen Platz weg und sorgen so f�r einen schleichenden
Griesgram der G�ste. - Was also konnte der Autor tun? Er ist
hergegangen und hat das einzig M�gliche gemacht: ein d�nnes gutes
Buch �ber Fu�ball und Philosophie.
Textauszug:
Künstler auf dem Platz, Spielkultur im Kopf - so ist also
kein Blumentopf zu gewinnen, geschweige denn das Bein auf den
Boden zu bringen, wenn die "Interaktionen von Fußball
und Literatur" (Henscheid) ordentlich herausgearbeitet sein
wollen. Der Mythen über die Kunst im Spiel und das
Zusammenwirken von Fußball und Dichtung, das Affiziertsein
der Theorie durch das Ballgeschiebe seien da zahl- und
gehaltreichere als die - zum letzten Mal - abgegriffenen
Beltzschen Rumpelsätze. Seit der Fußball 1530 in
Florenz erstmals mit voller Stärke die Weltbühne betrat,
mühen sich Literaten und Poeten, Diskursforscher und
Zitatsammler, Collageure und Bildhauer, Existenztheoretiker
und Rhetoren um eine möglichst präzise Abbildung des
Spiels auf das ästhetische Gebilde. Bzw. um eine doch meist
sublimere Koexistenz beider mit Richtung auf Korrespondenz und
Synästhesie.
Deshalb gilt das Augenmerk des Fußball- und Literaturexegeten
vornehmlich der Moderne, genauer: ihren feinnervigen Ausläufern,
in denen sich der romantische Topos korrespondierender
Dingkonstellationen inmitten der Weltgeschehnisse mit ästhetisch
engagierter Subjektivität und gewagter Phantasie Bahn bricht.
Das wird klar bei Kleist, dem sich unter seinen Augen alles zum
Getümmel verwandelte, und Musil und Brecht und Adorno, die
die Welt gerne zum Gutteil nach den Gesetzen der ästhetischen
Konstruktion gebildet gesehen hätten. Brecht für seinen
Teil forderte bekanntermaßen "Mehr guten Sport",
weil das in den großen Arenen Finten und Verhaltensformen der
Akteure nachvollziehende Publikum sich dergestalt für die
taktischen Eingriffe in das Gesellschaftsleben schulen sollte. Wie
weit aber die geheime Nachbarschaft von Fußball, Literatur,
Gesellschaftstheorie schließlich reicht und der Antizipation,
ach was: der Verwirklichung des "anderen" (Musil),
"verbesserten" (Brecht) bzw. "ganz anderen und
besten" (Adorno) Zustands hic et nunc zum Maßstab gereicht,
wird noch zu beweisen sein. Gut möglich zwar, daß
besondere Spielmotivationen und Ballmotive schon in der ersten Oper,
in den Kopfthemen des Monteverdi-Opus' "Orfeo" (1607)
heimlich sich Gewicht, Eindruck und künstlerischen Ausdruck
verschafften - gut möglich, aber man weiß es für
eine Zeit und ihre Kunstwerke, da die Moderne noch in Holzgaloschen
umherlief, nicht so genau. Schon weiter reichen die Kenntnisse,
gute 250 Jahre später auf dem Höhepunkt der
krisengeschüttelten bürgerlichen Gesellschaft,
hinsichtlich des Marxschen Werkes und dessen Fußballinfiltriertheit:
In diesem nämlich findet sich mit Sicherheit kein einziger Satz
zum Fußball. Ob damit bereits dem Fußballdefizit der
nachmaligen marxistischen Theoriebildung und der falschen Indulgenz
der herrschenden Köpfe der Arbeiterbewegung entscheidend in
die Hände gespielt wurde, dergestalt eine geschichtlich nicht
zu unterschätzende Kooperation zwischen Arbeiterklasse und
Spielgeschehen mißachtend? Auch diese Frage will zunächst
vertagt sein.
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