Through long winter nights in New Hampshire, while snow piled up outdoors and
my wife slumbered peacefully beside me, I lay saucer-eyed in bed reading
clinically precise accounts of people gnawed pulpy in their sleeping bags,
plucked whimpering from trees, even noiselessly stalked (I didn’t know this
happened!) as they sauntered unawares down leafy paths or cooled their feet in
mountain streams. People whose one fatal mistake was to smooth their hair with
one dab of aromatic gel, or eat juicy meat, or tuck a snickers in their shirt
pocket for later, or have sex, or even, possibly, menstruate, or, in some small,
inadvertent way pique the olfactory properties of the hungry bear. Or, come to
that, whose fatal failing was simply to be very, very unfortunate – to round a
bend and find a moody male blocking the path, head rocking appraisingly, or
wander unwittingly into the territory of a bear too slowed by age or idleness to
chase down fleeter prey.
Bill Bryson, A Walk in the Woods
Ich schlief sehr unruhig in dieser Nacht. Das Lagerfeuer hatte mir ein
Gefühl relativer Sicherheit gegeben. Auch war es schön, das Feuer der
Irlandkanadier als kleinen Lichtpunkt am jenseitigen Seeufer flackern zu sehen.
Jemandem, der sein ganzes bisheriges Leben in den Städten verbracht hat, mag es
als Luxus erscheinen, einmal keine anderen Menschen sehen und hören zu müssen.
Das ist eine romantische Fehleinschätzung. Es ist ein sehr kleiner Schritt von
"He, was wollen diese Leute in meiner Wildnis?" bis zu "Gott sei Dank, da
sind noch welche." Wir vollzogen diesen Schritt in nur zwei Tagen.
Nun lag ich im Zelt und fühlte mich unbehaglich. Widerstrebend hatte ich
das tröstliche Feuer gelöscht. Die mondlose Nacht war sehr dunkel. Ich
beschloss, vor dem Schlafen, wie es meine Gewohnheit ist, noch ein wenig zu
lesen und mir auf diese Art vielleicht eine Illusion von Normalität und
Sicherheit zu verschaffen, als trenne mich nicht lediglich eine dünne
Zeltmembran von einer Umgebung, in die ich nicht gehörte, und von ihren
legitimen Bewohnern.
Als Reiselektüre hatte ich "A Walk in The Woods" von Bill Bryson eingepackt,
die Beschreibung einer Wanderung entlang des Appalachian Trail, des
zweitlängsten Wanderwegs der Welt, der den Osten der USA von Georgia bis Maine
durchquert. Das Buch ist sehr amüsant. Das zweite Kapitel beschreibt
ausführlich und selbstironisch des Autors Bärenfurcht. Der Appalachian Trail
führt fast auf seiner ganzen Länge durch geschützte Wildnis, und überall
wimmelt es von Schwarzbären. Das Kapitel enthält ausserdem ausführliche
Paraphrasen der beunruhigendsten Passagen aus all den Büchern, die ich aus
Rücksicht auf meine Nerven vermieden hatte zu kaufen, deren Inhalt ich aber
gleichwohl nur zu genau kannte. Nun lag ich also da und las mit
untertassengroßen Augen, wie Bill Bryson daliegt und mit untertassengroßen
Augen schauderhafte, gleichwohl verbürgte Bärenattackengeschichten liest. In
der Sicherheit seines heimischen Bettes, versteht sich, nicht in einem Zelt an
einem See in den kanadischen Wäldern.
Als ich aufwache, ist es bereits acht Uhr. Mir ist kalt. Ich erinnere
mich, in der Nacht mehrmals, vor Kälte zitternd, aufgewacht zu sein. Jedesmal
dachte ich: "Ich sollte die Fleece-Hose anziehen". Im Halbschlaf ging ich alle
nötigen Schritte im Geiste durch: Ich müsste nur die Hose unter meinem Kopf
hervorholen, den Schlafsack aufmachen und sie überziehen. Aber ich tat nichts
dergleichen. Der Gedanke daran, mich auch nur einen Millimeter zu rühren,
geschweige denn, geräuschvoll den Schlafsackreissverschluss zu öffnen, erfüllte
mich mit Grauen. Denn draußen, nur wenige Meter von unserem Zelt entfernt, stand
ein imaginärer Bär. Und dieser Bär lauschte.
Das alles erscheint mir angenehm weit weg, als wir in der freundlichen
Morgensonne auf einem Felsen sitzen, zuckersüßes Porridge essen und auf den See
schauen. Nicht weit vom Ufer entfernt füttert ein Loon-Paar seine beiden
halbwüchsigen Jungen mit frisch gefischten Fischen. Wenn sich einer der Vögel
bei der Futtersuche zu weit vom Rest der Familie entfernt, stößt der andere
einen langgezogenen Klagelaut aus, der haargenau wie das Heulen eines Wolfs
klingt. Wir beginnen, uns Sorgen zu machen, als eine der Loons minutenlang
verschwunden bleibt und die andere laut rufend den See nach ihr absucht. Kann
eine Loon beim Tauchen ertrinken? Oder ist sie womöglich gefressen worden? Am
Abend zuvor hatte Genista in der Nähe des Seeufers einen winzigen, haiähnlichen
Fisch entdeckt, mit Antennen beiderseits des Mauls - ein junger Wels.
Ausgewachsene Welse werden bis zu zwei Meter lang und können problemlos eine
Ente verschlingen. Tatsächlich, aber das lese ich erst nach unserer Rückehr in
einer Loon-Monographie, haben die erwachsenen Vögel nur einen natürlichen Feind:
ihresgleichen. Die Loon bringt andere Wasservögel um, indem sie blitzschnell
unter ihnen auftaucht und sie mit ihrem dolchartigen Schnabel durchbohrt. Das
Motiv für diese Meuchelmorde ist Revierverteidigung. Deshalb sieht man Enten im
Algonquin-Park nur auf Flussläufen, deshalb wagen sich die Merganser-Weibchen
mit ihren ängstlich dicht an dicht schwimmenden Jungen selten aus dem Schutz des
flachen Uferwassers, und deshalb gibt es in Sichtweite eines Zeltplatzes meist
nur ein Loon-Paar. Tiefere Einblicke in die gnadenlose Welt der Loons bleiben
uns an diesem Morgen jedoch erspart. Nach endlos erscheinenden Minuten
herzzerreißenden Wolfsgeheuls kehrt die Vermißte von ihrem Rekordtauchgang
zurück, und auch wir können endlich aufhören, den Atem anzuhalten.
Erleichtert nippe ich an meinem kaltgewordenen Kaffee, als vier Männer in
ihren Kanus an uns vorbeiziehen. Sie steuern die Otterslide-Creek-Portage an.
Das erinnert uns daran, dass es höchste Zeit ist, aufzubrechen. Die erste
wirklich anstrengende Etappe unserer Reise liegt vor uns: Wir werden auf
Otterslide Creek nach Norden fahren, bis er in Big Trout Lake mündet, wo wir die
Nacht verbringen werden. Auf diesem Weg liegen fünf Portagen. Ein wenig
widerstrebend packe ich zusammen. Unser Zeltplatz ist bei Tageslicht sehr
idyllisch. Der Wald ist hier nicht düster und beklemmend, sondern freundlich und
einladend, noble Rot- und Weißkiefern halten höflich Abstand voneinander, es
duftet nach Harz. Flechtenbewachsene Granitbrocken ragen da und dort malerisch
aus dem rotbenadelten Waldboden. Es ist ein Platz, an dem man eine Blockhütte
bauen möchte. So muss Kanada aussehen!
Die erste Portage liegt zwei Kanuminuten von unserem Campingplatz
entfernt und ist nur 250 Meter lang. Sie umgeht einen großen Biberdamm, der
Otterslide Creek vom See abschneidet. Als wir uns dem Damm nähern, breitet ein
bis dahin unsichtbarer Kanadareiher seine Schwingen aus und fliegt indigniert
davon. Wir landen und sehen mit staunenden Greenhornaugen, wie uns federnden
Schrittes zwei Männer mit Boot und Ausrüstung aus dem Wald entgegenkommen, sie
haben den Creek offensichtlich bereits hinter sich, denn auf seiner ganzen Länge
gibt es keinen Campingplatz. Während wir noch mit unseren Rucksäcken kämpfen,
paddeln die beiden schon routiniert davon. Die Portage ist kurz und flach, sie
führt uns ans schlammige Ufer des Creeks. Dort liegt ein Boot, ein weiteres
nähert sich. Es ist die Gruppe, die beim Frühstück an uns vorbeigepaddelt war.
Einer von ihnen sei krank geworden, sie hätten umkehren müssen, erklärt man uns
bedauernd. "Aha, beaver-fever" denke ich kennerhaft und beschließe, künftig
unser Wasserdesinfektionsmittel großzügiger zu dosieren. Magenkrämpfe,
Durchfall und Übelkeit sollen andere plagen, ich möchte, den Bibern und ihren
unzulänglichen Kläranlagen zum Trotz, nicht vorzeitig den Park verlassen müssen.
Der erste Abschnitt des Creeks ist nicht mehr als ein langgestreckter,
flacher Tümpel. An seinem Ufer stehen düstere Fichten dicht an dicht. Irgendwo
fiept verloren ein Vogel, die Szenerie wirkt ein wenig desolat. Plötzlich ist
Bewegung hinter mir im Boot, Genista hat etwas gesehen, er deutet auf die Tannen
zu unserer Linken. Dort sitzt in kurzer Entfernung ein
Scarlet Tanager
(Scharlachtangare) auf einem Zweig und mustert uns unter nervösem Kopfdrehen.
Der meisengroße Vogel ist noch im vollen Brutgefieder, sein Körper leuchtet im
schönsten Signalrot, davon heben sich die jettschwarzen Flügel sehr vorteilhaft
ab. Man fragt sich, wie dieser einzige nordamerikanische Vertreter einer
tropischen Spezies in einer grau-braun-grünen Umgebung überleben kann. Das fragt
er sich offensichtlich auch, denn nun flattert er verschreckt in den Baumwipfel
zu seinem unscheinbar olivgrün gefiederten Weibchen. Genista, der das seltene
Tier soeben auf ein Beweisfoto hatte bannen wollen, murmelt
Vierbuchstabenwörter. Nach kurzem, ereignislosem Gepaddel ist es dann auch schon
wieder Zeit, das Boot an Land zu ziehen und auszuladen. Holprig geht es über
Steine und Wurzeln durch ein hügeliges Waldstück, aber auch diese Strecke ist
angenehm kurz. Am jenseitigen Ufer ramentert ein Schwarm Blauhäher, als wir uns
nähern. Sie machen meine lustig am Gürtel bimmelnde Bärenglocke überflüssig,
falls unser Geschnaufe und Getrampel das nicht ohnehin getan haben.
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