Perry Rodent
Die Ratte des UniversumsFolge 10 - Der Ungeheuerliche
Die Einsatzgruppe "Dusty Star" hat den Käfig mit unbestimmtem Ziel verlassen und sich dazu mit Space Cakes Mut angeknabbert. Die Ratten haben sich getrennt, Perry Rodent und Ratty "Nerd" Bull, genannt Bully, entdeckten eine einzelne Fritte. Unterdessen erfolgte beim Rest der Einsatzgruppe ein unerwarteter Angriff von den Mitgliedern des Verwandtenkorps des Königs der Ratten. Doch Hupsi und Dotz, die neuen Anführer von "Dusty Star", sind bald darauf mit einer verschwundenen Fritte konfrontiert. Als es wenig später auch noch zur Flucht von Squeek kommt und eine merkwürdige Stimme Kommandos erteilt, scheint die Verwandten der Mut zu verlassen. Daß sie zur Sorge allen Grund haben, zeigt sich beim Vorstoß in den Raum des ersterbenden Lichtes, doch die eigentliche Überraschung ist DER UNGEHEUERliCHE.
Es war nicht gerade so, daß Rodents Leben bis zu diesem Einsatz
in ruhigen Bahnen verlaufen wäre. Seine Arbeit für die
Käfigverwaltung hatte schon manches merkwürdige Erlebnis
mit sich gebracht, doch erst in letzter Zeit schienen ihm manche
Gerüchte und Irritationen, denen man im Käfig ausgesetzt
gewesen war, einen gewissen Sinn zu ergeben. Die Herkunft des Futters
war ein Gegenstand dieser Gerüchte, doch niemand machte sich
ernstlich Gedanken darüber. Die Käfigverwaltung verteilte
das Futter, und die Frage, wo sie es her hatte, mochte wohl
gelegentlich in einem Gespräch auftauchen, wurde jedoch ebenso
schnell wieder vergessen.
Oder vielmehr: dies war bis
vor kurzem so gewesen. Es schien Rodent, als habe die
Futterknappheit, die dem Käfig beim Aufbruch der 'Dusty Star'
gedroht hatte, zusammen mit der Tatsache, daß es plötzlich
eine Außenwelt gab, einiges verändert. Man vergaß
wichtige Probleme nicht mehr so schnell, und, aber da mochte er sich
täuschen, er hatte auch den Eindruck, daß er manches
besser und schneller verstand, seit er vor einigen Stunden den
Käfig verlassen hatte. Als erwache durch den Aufenthalt
außerhalb des Käfiges ein uraltes Programm wieder zum
Leben, das im Käfig verschüttet war.
Dennoch waren die vier Ratten jetzt ratlos. Sie waren, trotz der
seltsamen Lichterscheinung und der ständig lauernden Panik, tief
ins Unbekannte vorgestoßen und hatten dabei tatsächlich
bemerkt, daß die Fritten streng entlang der Linie der
Vertiefungen lagen, doch nun schien zunächst kein weiteres
Fortkommen mehr möglich. Nachdenklich überlegte Rodent,
daß die vor dem Verlassen des Käfigs vermutlich nicht
einmal erkannt hätten, daß die Staubsenken durch ihre
längliche Form eine Richtung angaben, und nicht einmal bis hier
gekommen wären, und er beschloß, mit Wolpertinger
darüber zu sprechen, wenn sie aus diesem seltsamen Raum
zurück zum Rest der Einsatzgruppe gelangten.
"Wir
müssen weiter", sagte Bull. "Irgendwo muß die
Quelle der Fritten sein."
Rodent starrte unbehaglich
auf die Linie zu seinen Füßen, die den staubigen Grund der
Außenwelt von einer rätselhaften anderen Substanz trennte.
"Es waren nicht besonders viele Fritten", sagte Squeek,
"und vermutlich wollen die Ameisen auch noch etwas davon. Ich
glaube, es wird nicht lange für den Käfig reichen."
Rodent, Bull und Taff blickten sie überrascht an. Einige Minuten
verstrichen, in denen keiner etwas sagte, dann machte Bull einen
Hüpfer über die Trennungslinie und pfiff fordernd.
"Ich habe keine Ahnung, ob Du recht hast oder nicht, Squeek,
aber wir müssen auf jeden Fall weiter."
"Nerd
hat recht", stimmte Taff zu und sprang an Bulls Seite. "So
gefährlich kann das Zeug nicht sein, sonst hätte es uns
schon angegriffen."
Squeek folgte ihnen, und
schließlich setzte sich auch Rodent in Bewegung, langsam und in
Gedanken. Er fragte sich unbehaglich, ob irgend etwas von dem, was
ihnen gerade widerfuhr, Zufall war, oder ob sie nicht dem
ausgeklügelten Plan der Frittenmacht folgten und nur den
Eindruck hatten, sich selbst zu entscheiden. Er seufzte.
Das
Leben im Käfig war jedenfalls leichter gewesen.
*
"Es tut uns nichts", sagte Taff und schnüffelte
ausgiebig an dem weichen, faserigen Untergrund, auf dem sie sich
tiefer in den Raum des ersterbenden Lichtes bewegten. Diese
Bezeichnung für die geheimnisvolle neue Umgebung war von Bull
geprägt worden, nachdem Rodent gesagt hatte, das Licht
"sterbe und lebe doch fort", und die anderen fanden sie
zwar ein wenig albern und pathetisch, hatten sie aber
schließlich akzeptiert.So konnte Bull nun schon auf zwei
Entdeckungen blicken, die er benannt hatte, und während er bei
den Staubsenken noch nicht begriffen hatte, daß das etwas
Besonderes war, war es ihm bei Raum des ersterbenden Lichtes gleich
klargewesen. Irgendwie gehörte der jetzt ihm, und er war nicht
sicher, ob er ihn auch haben wollte.
"Ich glaube, das
Licht kommt aus dieser Richtung", sagte Rodent und
schnüffelte langgestreckt. "Es riecht ein wenig eigenartig
dort."
Zaghaft, Schritt für Schritt, schob er sich
voran, und bemerkte dabei unbehaglich, daß das Licht immer noch
stärker wurde.
"Ich glaube, man kann sich an das
Licht gewöhnen", sagte Squeek überrascht, "es
macht mir schon fast nichts mehr aus."
Die anderen
drei, deren Schnurrhaare aufgeregt zitterten, blickten sie
mißtrauisch an, doch Squeek beharrte.
"Ich war
schon einmal hier, und ich bin mir ganz sicher, daß ich es
letztes Mal schlimmer fand. Und da war das Licht nicht so
stark."
Bull wollte gerade zu einer Entgegnung
ansetzen, da quiekte plötzlich Taff von etwas weiter vorne
entstezt auf.
"Hier ist etwas", pfiff er
aufgeregt, "etwas Großes, und es riecht lebendig."
In einer eiligen Bewegung waren die anderen bei ihm und starrten
verständnislos auf das Ding, das Taff entdeckt hatte. Es war
gewaltig, länger als eine einzelne Ratte, und vor allem schien
es nach oben hin im Nichts zu verschwinden. Und auch die
Einschätzung Taffs, daß es lebte, mußten die anderen
unbehaglich teilen. Sie wußten nicht, wie sie es erkannten,
aber der Eindruck war deutlich. Dieses monströse Ding war am
Leben, auch wenn es sich praktisch nicht bewegte.
"Hier
drüben ist noch eins", quiekte Taff aufgeregt, "genau
gleich", und während Bull und Squeek den Ruf folgten und
unbehaglich das zweite Ding in Augenschein nahmen, hatte Rodent sich
aufrecht gestellt und setzte vorsichtig eine Pfote an das Ding. Auch
aus dieser Höhe konnte er das Ende noch nicht erkennen, und ehe
er recht wußte, was er tat, ging ein Ruck durch seinen Leib und
er klammerte sich mit allen vieren an die griffige Außenhaut
des Dinges.
Nervös bebten seine Seiten, während er
einige Sekunden abwartete, ob das Ding von ihm Notiz nahm, doch
nichts geschah. Langsam, Pfote vor Pfote setztend, kletterte Rodent
höher, und er war so konzentriert, daß er die aufgeregten
Rufe der anderen nicht hörte. Noch immer war das Ende nicht zu
sehen, und auch der Boden war mittlerweile zu weit fort..
*
Unbehaglich starrten Bull, Squeek und Taff Rodent nach, wie er sich
an dem Ding nach oben arbeitete. "Perry, komm zurück",
rief Taff halbherzig, doch Rodent konnte ihn anscheinend nicht mehr
hören.
"Es sieht gar nicht so gefährlich
aus", sagte Bull, und sprang nun selbst an dem Ding empor.
"Seht ihr?" fragte er lachend. "Gar nicht so
schlimm."
Behender, als man ihm aufgrund seiner Statur
zugetraut hätte, kletterte er Rodent nach, und hatte ihn bald
eingeholt.
"Hier ist es zuende", murmelte Rodent,
"was ist das nur?" Geschickt kletterte er auf die Spitze
des Dinges, das sich säulenförmig viele Rattenlängen
unter ihm erstreckte, und fiepte gequält auf. "Oh
nein!" rief er, "es geht noch weiter."
Bull
kletterte an seine Seite und betrachtete mit beginnender Angst die
Fortsetzung des Dinges, die nun waagerecht in unbestimmte Entfernung
führte.
"Das ist ja riesig", wisperte Bull.
"Und alles lebt."
Während Squeek und Taff ein
wenig zaghaft an ihre Seite kletterten, starrten alle atemlos auf das
Gewaltige, das vor ihnen lag.
"Weiter!" befahl
Rodent schließlich, und zaghaft aber stetig machten sie sich
auf den Weg.
*
"Ich glaube, es ist ein er", sagte Bull langsam, und die
anderen hielten wie eingefroren inne.
"Was meinst Du,
Ratty?" fragte Rodent, und Bull schnüffelte zur Probe noch
einmal an dem Ding, wo es sich wieder nach oben wandte. "Ich
finde, er riecht so", ergänzte er.
"Du
meinst, das Ding lebt nicht nur, sondern es ist sogar eine
Person?"
Die drei anderen starrten erschüttert auf
das gewaltige Ding, das sich vor ihnen erhob. Sie hatten beim
weiteren Vorstoß entdeckt, daß die Fortsetzung der einen
Säule mit einer anderen zusammentraf, und Bull hatte vermutet,
daß am Ende des anderen Zweiges das andere Ding auf dem Boden
stand. Wo die beiden zusammenliefen, schloß sich eine gewaltige
Masse an, die abermals senkrecht nach oben lief. Noch immer hatten
alle vier Ratten das starke Gefühl, daß alles lebte, und
nun hatte Bull noch die Theorie aufgeworfen, daß es sich um
eine Person handeln könnte. Rodent stöhnte.
"Wir klettern vorerst nicht weiter nach oben", befahl er.
"Stattdessen werden wir zur Seite ausschwärmen. Wenn das
wahr ist, Ratty, was du vermutest, dann haben wir es hier mit einem
Monster zu tun. Das ist ungeheuerlich. Etwas so großes sollte
es nicht geben."
Bull nickte gewichtig, während
Squeek und Taff die Ausdehnung zur Seite untersuchten.
"So würde ich ihn auch nennen: der Ungeheuerliche."
"Hier sind Fritten", schrie Taff aufgeregt. "Ungeheuer
viele davon."
Rodent und Bull blickten sich vielsagend
an.
"Der Ungeheuerliche ist die Frittenmacht?"
fragte Bull trocken.
"Gut möglich", erwiderte
Rodent. Sie hüpften zu Taff, um sich selbst anzusehen, was er
gefunden hatte.
*
"Wenn wir recht haben, hat der Ungeheuerliche uns früher
mit Nahrung versorgt und wer weiß was noch alles für uns
getan. Nun tut er es nicht mehr, sondern befindet sich vollkommen
reglos hier. Die einzige Nahrung, die wir finden können, sind
diese Fritten." Rodent hielt ratlos inne. "Ich weiß
ehrlich gesagt nicht, was all das bedeutet." "Vergiß
nicht die Staubsenken und die Fritten auf dem Boden",
ergänzte Bull. Rodent nickte. "Wir haben versucht, ihn zu
beißen, wir haben auf ihn uriniert. Beides hat nicht zu
Ergebnissen geführt. Vielleicht irren wir uns. Vielleicht gibt
es den Ungeheuerlichen gar nicht, und wir befinden uns auf etwas ganz
anderem."
Bull quiekte protestierend und richtete sich
halb auf.
"Mein Gefühl sagt mir, daß wir
richtig liegen", sagte er bestimmt, "wir müssen ihn
nur noch aufwecken, dann bekommen wir wieder zu fressen."
"Aber wie sollen wir ihn aufwecken, wenn wir nicht einmal
wissen, weshalb er schläft?" fragte Squeek, und die vier
schwiegen bedrückt. Da ging plötzlich eine Bewegung durch
die massige Gestalt des Ungeheuerlichen. In wilder Panik ergriffen
die Ratten die Flucht und fanden sich wenig später auf dem
weichen Material des Bodens wieder. Die Dinger, an denen sie zum
Ungeheuerlichen emporgeklettert waren, waren verschwunden.
Es scheint, als ob die Entdeckung des Ungeheuerlichen die Rätsel um das Wirken der Frittenmacht eher noch vergrößert. Doch wir blenden zunächst zurück in den Käfig, wo die Krise noch nicht bewältigt ist. Mehr von den Kämpfen der Käfigverwaltung lesen Sie in Folge 11: Im Banne des Rattenkönigs.